Nach dem Krieg

Nach dem Krieg leben beide Protagonisten nicht mehr, weder Gabriel noch Maria. Aber, was sie erleiden mussten, hat Folgen für die Kinder und auch für die weiteren Angehörigen- das geringe pekuniäre Erbe muss geteilt werden genauso wie das geistige Erbe geteilt wird. Die Erbauseinandersetzung über das geringe Erbe der Mutter läuft noch weitgehend ohne Konflikte ab, in den später anstehenden Erbangelegenheiten um das Haus der Oma tauchen erste Konflikte und auch Streit zwischen den Kindern Weber und ihren Vormündern Irma und Leo Ponsens auf. Der Streit wird mühsam beigelegt.

 

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Vermögensverzeichnis Maria Weber für das Amtsgericht Brühl
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Erbaufteilung Kinder Weber
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Brief Leo Ponsens an Leni Weber (Original unleserlich)
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Brief Leo Ponsens an Leni Weber (Transscript leserlich)
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Das Verhältnis von Leo Weber zur Schwester seiner Mutter Irma Ponsens bleibt für immer getrübt durch den nicht unbegründeten Verdacht, dass sie mit seiner frühen Einberufung zu tun haben könnte. Leo spricht mit der Tante darüber nie. Als Leo sich von seiner ersten Frau in den 60er Jahren scheiden lässt, sieht er sich dem unerbittlichen Urteil seiner Tante gegenüber- ein Verdikt, das viel Ähnlichkeit hat mit dem Vorurteil, das seine Großmutter Eva Oellig gegen seinen Vater gepflegt hatte wegen dessen einfacher Herkunft und auch wegen seines "sexuellen" Lotterlebens (vorehelicher Verkehr beim Vater, außereheliches Verhältnis jetzt) wegen. Der Kontakt bricht fast vollständig ab.

 

 

Die älteste Tochter des Ehepaars, Leni, lebt und arbeitet als Schwerbehinderte im Marienkrankenhaus in Brühl. Die Nonnen des Klosters schätzen ihren Humor und fühlen sich ihr verpflichtet, wohl auch wegen der besonderen Unterstützung, die Gabriel Weber ihnen zwischen 1933 und 1942 als leitender Beamter hat zukommen lassen. Was auch immer das war. Zumindest war Gabriel Weber hier besonders großzügig, was die Ausgabe von "Reisekarten" anbetraf. (siehe Untersuchung der Kriminalpolizei 1942). Die Schwestern des Marienkrankenhauses jedenfalls fühlen sich bis in die 70er Jahre für das Wohlergehen der Tochter Leni direkt verantwortlich, in jedem Fall solange, wie noch Nonnen im Kloster leben, die die Zeit des Krieges mitgemacht hatten.  Leni besucht die Familie ihrer Tante Irma regelmäßig.

 

Der älteste Sohn Johannes lebt und arbeitet in Brühl. Will von Rehabilitation, Wiedergutmachung und auch wohl von Vatergeschichten nichts wissen.

 

Der jüngste Sohn Willi erfüllt sein Versprechen an seine Mutter und wird Klosterschüler im Collegium- Josephinum in Bonn, dann Priester und Ordensmann der Redemptoristen. 1971 wird er sich nach einem langen inneren Kampf und mit gewaltigen Skrupeln der katholischen Kirche und vor allem seiner Mutter gegenüber laisieren lassen. Er heiratet und freut sich an seinem Kind, einer Tochter.

 

Willi Weber mit Dechant Heinrich Kreutzberg bei der Primizfeier in Brühl 1957

 

Dem mittleren Sohn Leo Weber gelingt es über einen Freund seines Vaters, eine Anstellung bei der Stadt Brühl zu bekommen. Teilweise sitzt er gar am Schreibtisch seines Vaters. Er versucht intensiv, seine Rehabilitation zu erreichen. Ihn beschäftigt das Todesurteil täglich. Die Briefe des Vaters aus der Haft, vor allem den Abschiedbrief, muss er wie eine Verpflichtung immer wieder und wieder lesen. Als er den Abschiedsbrief jeden Tag lesen muss, verbrennt er 2014 (bevor der Neffe Winfried Kontakt aufnimmt) die Briefe, weil er glaubt, so den lastenden inneren Zwang los werden zu können.

 Die Urteile gegen Gabriel und gegen Maria sind für ihn nicht greifbar,

  • sei es weil sie vernichtet schienen durch Brand oder durch die Machenschaften und den verbliebenen Einfluss derer, die nicht erkannt werden wollten,
  • sei es weil die Behörden sich keine Mühe bei der Suche gaben.

 

Die Original- Gerichts- Akte mit dem Todesurteil lagerte wahrscheinlich bis ca. 1954 noch bei der amerikanischen Besatzungsmacht, teilweise unmittelbar in den USA. Im Juli 1952 erhält Leo Weber auf seine Eingaben hin durch den Kölner Oberstaatsanwalt den Bescheid, dass die Verfahrensakten zum Urteil gegen den Vater bei der ehemaligen Militärregierung liegen. Die entsprechende Militärbehörde verspricht im August Nachforschungen anzustellen und erklärt in einem ausführlichen Schreiben im April 1953, dass die Unterlagen, zumindest das Todesurteil, in Washington liegen. 

Beim Landgericht selbst bzw. im Archiv in Duisburg lagert auch heute noch nur der Aktendeckel. Die Akte Weber ist eine der wenigen Todesurteils- Akten beim Landgericht, die zwar vorhanden, aber dann doch fast vollständig leer sind. Nur einige Schreiben aus der Nachkriegszeit sind darin abgeheftet. Der Kölner Oberstaatsanwalt teilt auf eine neuerliche Eingabe 1954 mit, dass die gesamten Verfahrensakten wohl "durch die Kriegsereignisse in Verlust geraten" sind und sich weitere Ermittlungen erübrigten.

 

Leo Weber erreicht um 1952 bei der Stadt Brühl die Zusage, sich um die Umbettung des Vaters nach Brühl zu kümmern. Nach einiger Zeit teilt die Stadt ihm mit, dass es keinen Nachweis (kein Eintrag im Totenbuch) für eine Bestattung auf dem Nordfriedhof in Bonn gebe und dass ein Exhumierungsversuch an der vorbezeichneten Grabstelle keinen Fund von menschlichen Knochen ergeben habe. Leo Weber glaubt ab diesem Zeitpunkt bis zum 23. Sept. 2014, dass die Erzählung von der Bestattung des Vaters auf dem Nordfriedhof möglicherweise ein Märchen gewesen und er von seiner Mutter getäuscht worden sei, vielleicht in der guten Absicht zu verdecken, dass die Leiche des Gabriel Weber in der Anatomie einfach aufgebraucht wurde. Die Bestätigung der Bestattung (Eintrag im Totenbuch unter der Nr. 1835) durch das Friedhofsamt Bonn im Okt. 2014 und die Bestätigung der Herausgabe durch die Anatomie Bonn (Ordner 117) haben ihn seltsam beruhigt und tief berührt.

 

 

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Kopie Anatomie Bonn
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Leo Weber versucht bereits ab 1945 nähere Auskunft zur Hinrichtung seines Vaters zu bekommen. Vergeblich. Angeblich ist auch die Personalakte des Vaters bei der Stadt Brühl durch Brand 1944 vernichtet. Wie sich 2016 herausstellt, heftete die Stadt Brühl aber noch 1947 schriftliche Eingaben des Sohnes brav in der Akte des toten Vaters ab. Der Sohn lässt sich 1952 unrechtmäßig ins Archiv einschließen, kann aber auch nicht fündig werden. Wer wann und warum die Akte vorübergehend verschwinden ließ, kann nicht mehr aufgeklärt werden. Im Übrigen war noch eine zweite Person sehr an dieser Akte interessiert: nämlich der ehemalige 1. Beigeordnete Wilhelm Pott in seinem "Säuberungsverfahren" durch die amerik. Militärregierung. Durchaus verständlich: Wilhelm Pott will angesichts seiner gerichtlich dokumentierten Aussage seine "positive Beleumdung" des Naziopfers Weber und damit seine widerständige Gesinnung beweisen. Aber auch Wilhelm Pott und mit ihm die amerik. Militärpolizei können der Akte offensichtlich nicht habbar werden. Wenn man schon die Frage stellt, wieso die Akte zeitweise unauffindbar war, muss man natürlich im gleichen Zug die Frage stellen, ob sie überhaupt je verschwunden war und wann wer warum die Akte wieder eingestellt hat. Vermutungen gehen von Zufall bis zum schlechten Gewissen. Vermutungen, die wohl ohne Antwort bleiben.

 

1947 sind im Stadtrat noch zahlreiche Personen tätig, die sich unmittelbar an die Umstände des Prozesses erinnern können. Im Verwaltungsausschuss der Stadt wird am 27.02.1947 der Antrag des Leo Weber beim Innenminister des Landes NRW auf finanzielle Unterstützung bzw. Wiederaufleben der Beamteneigenschaft von Gabriel Weber (damit Berechtigung der Hinterbliebenenversorgung) abgelehnt, nachdem die beschließenden Stadtverordneten erst durchaus festgestellt haben: "Die Mitglieder Nagel, Lauffs, Lenz und Riepl brachten zum Ausdruck, daß das Todesurteil durchweg als ungerecht empfunden worden wäre. Weber sei der Sündenbock gewesen, der für andere leiden mußte." (Protokoll über die Sitzung des Verwaltungsausschusses am 27.2.1947) Der Einwand des Verwaltungs- Juristen Metternich, dass Weber aber auch bei einem milderen Urteil (Zuchthaus) kein Anrecht auf eine Pensionszahlung gehabt hätte, gibt den Ausschlag zur schließlichen Ablehnung des Antrags. Die Ausschussmitglieder schließen sich trotzdem einstimmig der Meinung des Mitglieds Stahl an, "daß, falls das Urteil ein politisches Urteil gewesen sei, die Hinterbliebenen unter Umständen als politisch Verfolgte anerkannt werden könnten."  (ebd.) Zur entsprechenden Einzelfallprüfung fehlte aber bis 2015 das Urteil. Eine allgemeine Erklärung des Bundestags zu den Unrechtsurteilen der Naziszeit brauchte noch bis in die späten 90er Jahre.

 

Leo Weber sucht 1952 sogar den Landgerichtsdirektor  Eich an dessen Wohnort Koblenz- Vallendar auf, um über ihn vielleicht doch noch eine Wiederaufnahme des Verfahrens und die Rehabilitation des Vaters zu erreichen. Karl Eich empfängt ihn tatsächlich und erklärt ihm, dass er nichts dergleichen tun wolle, mit den Worten: "Herr Weber, was damals Recht war, kann heute kein Unrecht sein." - Worte, wie sie damals und auch später noch gerne benutzt wurden.

 

Leo Weber ist im Februar 2015 tief bewegt, als er die Archivunterlagen zum Urteil gegen seine Mutter und seinen Vater in der Hand hält. Die zu seiner Mutter kann er bald schon studieren. Die Unterlagen zu seinem Vater liegen bis heute weitgehend unberührt.

 

2015 erfährt Gabriel Weber über das Stadtarchiv Brühl (Frau Freeriks), dass die Personalakte des Vaters im Keller des Personalamts gefunden wurde. Es beginnt eine für Leo Weber zermürbende Auseinandersetzung um die Einsichtnahme. Diese wird im Juli 2016 endlich zugestanden und umgesetzt. Ursprünglich hatte der Sohn Leo sich vorgestellt, selbst den Blick in die Akte wagen zu wollen und zu können. Als der vereinbarte Termin naherückt, bittet er den Vetter darum, dass dieser alleine nach Brühl fährt. Bis heute hat Leo Weber die Einsicht in die Kopien nicht ausdrücklich gewünscht. Und das sicher nicht, weil er etwa eine Beschädigung seines Vaterbildes nicht ertragen würde...

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Protokoll der Verwaltungsausschusssitzung der Stadt Brühl vom 27.02.1947
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