Klingelpütz Köln


Klingelpütz Ende der 30er Jahre

Klingelpütz Köln


Denkmal Klingelpütz mit dem Text:

„Hier wurden von 1933–1945 über tausend von der nationalsozialistischen Willkürjustiz unschuldig zum Tod Verurteilte hingerichtet.“

Einer von vier Flügeln des Klingelpütz

Eingang und Verwaltung Klingelpütz 1942

Innenansicht 1960

Der Klingelpütz wurde 1838 als preußisches Zentralgefängnis im Rheinland gebaut und galt damals wegen seiner Architektur - vier Flügel, die kreuzförmig um ein achteckiges Zentralgebäude angeordnet sind - als besonders modern.

 

Das Gefängnis wurde nach 1933 zur zentralen Hinrichtungsstätte für die Sondergerichte in Aachen, Dortmund, Düsseldorf, Duisburg, Essen Hagen, Koblenz, Münster, Wuppertal und eben Köln. Auch Todesurteile des Volksgerichtshofs in Berlin und des Reichsgerichts in Leipzig wurden hier vollstreckt, ebenso Tötungen der sog. Nacht- und Nebelaktionen. Die Hinrichtungen wurden zu Anfang mit dem Handbeil, ab 1934 mit einer Guillotine durchgeführt. Siehe den Abschnitt "Hinrichtung".

 

Zur Zeit der Inhaftierung von Gabriel Weber wurde das Gefängnis Klingelpütz von dem Parteimann Überhorst geleitet. Er wurde am 1. Febr. 1937 zum Leiter bestellt, nachdem er zuvor die Strafanstalt Lingen geleitet hatte. Überhorst war zunächst im Kolonialdienst tätig und von 1912- 1914 Sekretär beim Chef des Inselgebietes von Deutsch Neu Guinea, später dann Leiter der Station auf den Prak Inseln, danach Frontsoldat. Er trat bereits 1922 in die NSDAP ein. Überhorst's Einfluss auf die Anstalt war jedoch gering, weil er die Anstalt wesentlich nur nach außen repräsentierte. Die Arbeit im Gefängnis selbst ließ Ueberhorst von seinen Stellvertreter erledigen. "Zudem war Überhorst anscheinend den im Klingelpütz in großer Zahl durchgeführten Hinrichtungen nicht gewachsen, da er nach Auskunft des evangelischen Gefängnispfarrers vor den Hinrichtungen regelmäßig betrunken gewesen sein soll. Er wohnte diesen auch in den seltensten Fällen bei und ließ die dort anfallenden Aufgaben fast ausnahmslos von seinem Stellvertreter wahrnehmen. Nach dem Einmarsch der US- Amerikaner soll Überhorst wochenlang durch die Wälder des Ruhrgebietes geirrt sein; er beging schließlich Selbstmord." (THIESEN 2011, S. 59)

 

 

Die NS-Machthaber bestimmten den Klingelpütz zur zentralen Hinrichtungsstätte für die Verurteilten, die in den Oberlandesgerichtsbezirken Köln, Düsseldorf und Hamm zum Tode verurteilt werden. Die Zuständigkeit wird 1942 insofern erweitert, daß nunmehr auch alle zwischen Münster und Luxemburg zum Tode Verurteilten zur Enthauptung nach Köln eingeliefert werden.

 

SCHMIDT schreibt: "Auch viele Wehrmachtsangehörige, die von den Kriegsgerichten zum Tode verurteilt wor­den waren, werden ab 1943 in Köln und Dortmund hingerichtet. In einem von der Wehr­macht genutzten Trakt des Gefängnisses werden diese Verurteilten untergebracht....

 

Das Kölner Gefängnis wird auch zur Verwahr- und Hinrichtungsanstalt für Polen, Fran­zosen, Belgier, Holländer, Ukrainer und Russen, die in einem speziellen Gebäude, dem Flügel III an der Mauer zum Gereonswall, untergebracht werden. Dieser Bau ist ein Bau des Terrors aber auch des Schweigens. Die Namen der hier Inhaftierten bleiben geheim. Pfarrer Gertges berichtet, daß sie als „NN-Gefangene“ bezeichnet wurden, denen anfangs  auch keine Betreuung durch den Seelsorger gestattet wurde.

 

 

Für ca. 800 Häftlinge gebaut, waren schon vor 1933 bis zu 1.000 Gefangene im Klingelpütz untergebracht. In den 40er Jahren waren hier gar mehr als 1.700 Menschen zusammengepfercht. Jährlich durchliefen ca 16.000 bis 18.000 Häftlinge die Haftanstalt. Als Besonderheit des Gefängnisses muss hervorgehoben werden, dass es mitten in einer engen Wohnsiedlung stand nahe der Volksschule in der Straße "Am Klingelpütz". Für die Nachbarschaft war es verhältnismäßig selbstverständlich,  Laut- und Sichtkontakt zu den Gefangenen aufnehmen zu können. Mit ein Grund für den Abriss des Gebäudes in den 60er Jahren des 20. Jh. Entsprechend dem Zeitgeist entsorgte man den Klingelpütz radikal. Jede Erinnerung sollte gelöscht werden. Engagierte Bürger, vor allem auch der ehemalige Gefängnisgeistliche Gertges setzten sich vehement für ein Gedenken ein und konnten immerhin nach großem Widerstand durchsetzen, dass auf dem früheren Richtplatz heute Blumen blühen und eine Gedenktafel mahnt: „Hier wurden von 1933 bis 1945 über 1.000 von der nationalsozialistischen Willkürjustiz zum Tode Verurteilte hingerichtet. “ (2012, S....)

"1933 ist das Männergefängnis mit 1.013 Straftätern belegt. 1932 waren es nur 679 Gefangene.

 

Der Strafanstaltsdirektor des Kölner Gefängnisses meldet dem Generalstaatsanwalt in Köln am 28. Oktober 1935: "Die Männerabteilung des Gefängnisses in Köln mit einer Belegfähigkeit von 714 Köpfen ist seit dem Rechnungsjahre 1933 ständig überbelegt. Die Durchschnittsbelegung beträgt:

1933: 986,84 Männer.

1934: 1003,96 Männer.

1935: 1191,28 Männer.

Von dieser Durch­schnittsbelegung entfallen allein auf Untersuchungshäftlinge:

1933: 487,89.

1934: 632,18.

1935: 855,26.

 

Die Unterbringung der Gefangenen, namentlich der Untersuchungshäftlinge, stößt auf die größten Schwierigkeiten. Durch die Uberbelegung der Anstalt müssen auch die Untersu­chungshäftlinge zum größten Teil in den Einzelzellen zu drei Mann untergebracht werden. Schon die Trennung der Tatgenossen, der wegen Hoch- und Landesverrats einsitzenden Häftlinge, allein etwa 300 Männer, der Strichjungen und der Homosexuellen stößt auf die allergrößten Schwierig­keiten, weil die Häftlinge in den Flügeln A und C mit einem Fassungsvermögen von etwa 400 Plätzen unterzubringen sind, wogegen die Flügel B und D mit einem Fassungsvermögen von etwa 300 Plätzen, den anderen Haftarten Vorbehalten sind. Die hohe Zahl der Häftlinge dürfte, aller Voraussicht nach, eine Dauererscheinung bleiben."

 

 

Im Gefängnis wirken ein Anstaltsdirektor, acht Beamte des gehobenen Dienstes, vier Beamte des mittleren Dienstes, 140 bis 145 Aufsichtsbeamte, ein hauptamtlicher Arzt und zwei Medizinalassistenten. Ein evangelischer und zwei katholische Geistliche sind für die Seelsorge zuständig." (SCHMIDT)

 

Die männlichen Aufseher waren meist Männer, die im Militär gedient und nach zwölfjährigem Militärdienst im Strafvollzug zur Verwendung kamen. Es waren meist sehr einfache Menschen, die die Prüfungen für den Einsatz als Beamte in anderen staatlichen Einrichtungen nicht geschafft hatten. Die weiblichen Aufsichtskräfte kamen oft durch „Vererbung“ in den Vollzugsdienst, weil ihre Eltern diesen Beruf schon ausgeübt hatten. Die Belegschaft wies seit den 1920er jahren bis zum Kriegsende eine starke Kontinuität auf (vgl. THIESEN 2011, S. 60). "Dem Kölner Personal des Klingelpütz gehörten offensichtlich nur wenige "alte Kämpfer" der nationalsozialistischen Bewegung an." (ebd. S. 61)

 

 

 

Das Gefängnispersonal scheint sich den Gefangenen gegenüber weitgehend korrekt verhalten zu haben (ganz im Gegensatz zum Gestapogefängnis im heutigen ELDE- Haus). Es sind keine groben körperlichen Übergriffe oder gar Todesfälle durch Gewalteinwirkung bekannt (gilt nicht für den von der Gestapo übernommenen Flügel des Klingelpütz). Es gibt zwar Beschwerden der Häftlinge darüber, dass man überhaupt eingesperrt sei, aber nicht über schlechte Behandlung. "Ich kann über die Beamten im Klingelpütz nichts Böses sagen. ... Man spürte, dass sie sich bemühten, auf dem Boden des Gesetzes zu bleiben."- formuliert ein politischer Gefangener der Gewerkschaftsjugend. (THIESEN S. 88) Mehrfach wird die Gefängnisleitung vom Generalstaatsanwalt gerügt, dass das Auftreten der Aufseher sehr viel "straffer" zu sein habe (THIESEN, S.133). Dies deckt sich mit Aussagen von Bediensteten nach dem Krieg, die von einer "gelockerten Atmosphäre" und "kölscher Mentalität" zwischen ihnen und den Gefangenen sprachen. Aufsichtsbeamte sollen die Gefangenen sogar mit Tipps zu "guten" Anwälten versorgt haben, was der "Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen" in einem Schreiben an den Generalstaatsanwalt zu rügen wusste (THIESEN, S. 135).

Als die Hinzuziehung von Geistlichen bei der Hinrichtung 1941 gesetzlich eingeschränkt und 1942 völlig untersagt wurde, wussten die Aufsichtsbeamten es einzurichten, dass dieser geistliche Beistand bis zum Kriegsende weiterhin möglich war. Teilweise wurden von ihnen sogar persönliche Gespräche der Gefangenen und der Geistlichen miteinander ohne Aufsicht organisiert, bisweilen wurden auf Bitten der Geistlichen gar notwendige letzte Besorgungen durch Anstaltsbeamte erledigt.

 

Das alles ist im Übrigen das gerade Gegenteil von dem, was - auch in der Bevölkerung- aus dem Gestapoblock verlautete und auch tatsächlich dort an Morden und Quälen geschah.

 

 

 

"Im Hochparterre des Zentralgebäudes liegen zur NS-Zeit die Räume der Anstaltsgeistlichen. Dort finden Aussprachen und seelsorgerischer Trost für die Häftlinge statt, die bald vor ihrem irdischen Richter stehen müssen. Andere Räume auf dem gleichen Flur sind für die Wach­leute, Schreiber und gelegentliche Gäste bestimmt.

 

Für die Rechtsanwälte sind einige spärlich eingerichtete Räume im Tiefparterre vorgese­hen. Dort können Unterredungen zwischen den Anwälten und ihren Mandanten stattfinden.

 

An der Außenwand des Gebäudes hängt das „Armesünderglöckchen“, das zum letzten Gang der Unglücklichen läutete. Die Glocke, von einem Wachtmeister bedient, schreckt meist in der frühen Morgenstunde das ganze Gefängnis auf und erzeugt heftige Unruhe. Der Klang der Glocke wird für den Todeskandidaten erst verstummen, wenn er nicht mehr am Leben ist. Ihr Ton wird das Letzte sein, was ihn berühren wird. Durch das ständige Kommen und Gehen der Offiziellen vor den Hinrichtungen entsteht eine Unruhe, die sich bis zum letzten Gefangenen fortsetzt und zeigt, daß wieder einmal für jemanden die letzte Stunde geschlagen hat.

 

Im ersten und zweiten Stock des Gebäudes liegen die Büroräume und Zimmer der leiten­den Beamten, wo die Häftlinge die schlimmste Nachricht ihres Lebens hören müssen: Die Ablehnung ihres Gnadengesuchs.

 

Im obersten Stockwerk des Zentralbaus liegt der Kirchenraum, der etwa 200 Personen Platz bietet. Ein Harmonium steht in dem Raum, in dessen Mittelpunkt die Kanzel sich befindet. Die meisten der zum Tode Verurteilten nehmen hier mit gefesselten Händen vor ihrem letzten Gang am Gottesdienst teil.

 

Die Zellen im Kölner Gefängnis, die gewöhnlich für die Todeskandidaten reserviert sind, befinden sich im hinteren Teil des umfangreichen Gebäudes. Ganz in der Nähe dieser Zellen liegt die Exekutionsstätte mit dem Richtgerät." "Freitags und sonntags ist katholischer, sonntags evangelischer Gottesdienst.

 ...

Während des Krieges sind fast alle Häftlinge im Arbeitseinsatz eingebunden. So nähen die weiblichen Gefangenen Uniformen, die männlichen arbeiten für die Rüstungsindustrie."

 

Die Gefangenen haben den Anordnungen der Aufsichtsbeamten ohne Widerrede zu gehorchen und selber nur nach Aufforderung zu sprechen. Wenn ein Beamter die Zelle betrat, hatte sich der Älteste unter dem Fenster gerade und unbewegt aufzustellen, seinen Namen zu sagen und Meldung über die Belegung der Zelle zu erstatten. In einem entsprechenden Faltblatt, das in jeder Zelle auslag, waren die entsprechenden Anweisungen auch z.B. zur Ordnung der Spinde für alle Gefangenen nachlesbar.  Anweisung an die Häftlinge: „Die Gefangenen der Vollzugsanstalten der Justizverwaltung haben sich ausnahmslos des deutschen Grußes zu enthalten. Die Beamten dürfen den Gruß der Gefangenen nicht mit dem deutschen Gruße erwidern. Sie grüßen die Gefangenen in anstaltsübli­cher Weise, auf jeden Fall aber mit der gebotenen Zurückhaltung."  (SCHMIDT 2008) Schon im Gruß war damit die gewollte Ausgrenzung der Gefangenen aus der "Volksgemeinschaft" sichtbar. Einmal monatlich war die Revision jeder Zelle inklusive allen Inventars zwingend vorgeschrieben und im Besichtigungsbuch zu vermerken.

 

Alle Aufsichtsbeamten, die mit der Vorbereitung und Durchführung der Hinrichtungen betraut waren, erhielten für ihren Dienst zusätzliche Nahrungs- und Genussmittel im Wert von drei Reichsmark. Zudem erhielten sie durch Erlass des Reichswirtschaftsministers vom 8. Mai 1942 jeweils einige Zigaretten. Zu diesem Zweck wurden dem Klingelpütz zunächst monatlich 200, später dann 400 Zigaretten zusätzlich zur Verfügung gestellt. (THIESEN, S. 183)

 

Strafgefangene durften alle zwei Monate Besuch erhalten sowie alle vier Wochen einen Brief schreiben. Untersuchungshäftlinge durften einmal monatlich Besuch erhalten, weibliche U- häftlinge sogar zweimal. Offizieller Besuchstag war dienstags und donnerstags.

 

Funktionalität und Ausstattung des Klingelpütz scheint im Zeitraum von 1933 bis 1945 äußerst mangelhaft gewesen zu sein. So standen der Gefängnisleitung "beispielsweise keinerlei eigene motorisierte Transportmittel zur Verfügung. ... Selbst die regelmäßig stattfindenden Gefangenentransporte zu Verhören oder sonstigen Vorführungen in das Landgericht Köln mussten mit Hilfe eines Pferdegespanns durchgeführt werden." (THIESEN 2011, S. 67)

 

Die einzelnen Zellen im Klingelpütz verfügen übrigens "weder über sanitäre Anlagen noch über eigene Wasserleitungen. Das frische Wasser für die Gefangenen musste daher von Aufsichtsbeamten oder Hilfskräften mit Steinkrügen an Wasserstellen auf den Zellengängen entnommen und in die Zellen gebracht werden. Dementsprechend mussten ebenfalls zweimal täglich die Fäkalienkübel vor die Zellen auf den Gang gestellt werden." (THIESEN, S.101) Das führte zu einer unerträglichen Geruchsbelästigung in den Zellen und wegen der händischen Entsorgung in Sickergruppen auf dem Gefängnishof zu einer Geruchsglocke über dem gesamten Gefängnisareal. Im Sommer gab es erhebliche Beschwerden der Nachbarschaft.

 

Die Gefangenenkleidung bestand für männliche Gefangenen aus einer dunklen Hose und einem blauen Oberteil, auf das breite gelbe Streifen aufgenäht waren, um flüchtende Gefangene jederzeit identifizieren zu können. Ab 1942 durften wegen Rohstoffmangels für die Gefangenen nur noch Holzschuhe bereit gestellt werden.

 

Die Ernährung der Inhaftierten war äußerst mangelhaft, bestand doch ein wesentliches Ziel der Staatsführung darin, Inhaftierte auch durch Reduzierung der Nahrung deutlich vom Standart der Zivilbevölkerung abzuheben. Die Versorgung mit Lebensmitteln stellte sich aber im Laufe des Krieges auch organisatorisch als immer schwieriger werdend heraus. War die Verpflegung in Friedenszeiten schon äußerst knapp, so änderte sie sich während des Krieges von Monat zu Monat dramatisch, so dass der Gefängnisarzt Kapp im Juli 1942 bereits berichtete, dass die Ernährung nicht mehr  den "an sie gestellten Forderungen hinsichtlich der Arbeitsleistung" (Briefwechsel zwischen Justizministerium, Generalstaatsanwaltschaft und Gefängnisverwaltung) genügte. Die Ernährungslage wurde ab Juli 1942 so schlecht, dass die vertraglich gebundenen Abnehmer und Verwerter der Essensreste und Küchenabfälle, auf die Erfüllung des Vertrages verzichteten. Mit den geringen Resten konnten offensichtlich nicht einmal mehr "Schweine" gefüttert werden. (vgl. THIESEN S. 108ff)

 

Besonders katastrophal waren im Klingelpütz die hygienischen Verhältnisse. Der Klingelpütz war zumindest im Sommer weithin zu riechen.  Die Zellen selber waren recht dunkel und vor allem auf den unteren Stockwerken durchfeuchtet. Nie hat man das Ungezieferproblem, angefangen von Ratten über Schaben bis zu Flöhen und Läusen in den Griff bekommen. Diese Zustände führten immer wieder zu auch seuchenartigen Erkrankungen wie Tuberkulose, Hungerödemen, Infektionskrankheiten, chronischen Eiterungen und den verschiedensten Magenkrankheiten. Immerhin verfügte der medizinische Dienst über eine kleine Anzahl von Lazaretträumen und die Möglichkeit, Krankenkost anzuordnen.

 

Auch Gabriel Weber befindet sich ab dem 7. August laut medizinischer Krankenakte auf der Krankenstation des Klingelpütz.

 

Bauweise, Enge und Überfüllung, Innenstadtlage und anderes führten dazu, dass es im Verhältnis zu anderen Gefängnissen zu ungewöhnlich häufigen Fluchtversuchen kam. Die Gefangenen wurden fast alle sehr schnell erneut aufgegriffen, viele stellten sich nach kürzester Zeit selber. Sie hatten den Aufenthalt draußen zu Besuchen ihrer Familie, zur Versorgung der Tiere genutzt. Besonders häufig wird von Fluchtversuchen nach Bombenangriffen auf die Stadt berichtet. Bemerkenswert: Flucht aus dem Gefängnis galt auch in der Zeit des Nationalssozialismus nicht als "Straftat" sondern wurde nur mit einer Art verschärftem Arrest bestraft.

 

Mindestens so häufig wie die Fluchtversuche waren Suizidversuche der männlichen Gefangenen, die angesichts der katastrophalen hygienischen, gesundheitlichen und versorgungsmäßigen Verhältnisse keine Perspektive mehr für sich sahen. Trotz vieler Eingaben der Gefängnisleitung auf erhöhte Sicherheitsmaßnahmen durch Netze in den Treppenhäusern z. B.  war die Generalstaatsanwaltschaft während des Krieges nie bereit, dahinein zu investieren.

 

Während der häufigen Luftangriffe auf Köln kam es im Klingelpütz zu heftigen Panikausbrüchen der Gefangenen. Die Schreikrämpfe der Gefangenen sollen weithin zu hören gewesen sein, auch die Versuche, Türen mit Schemeln und Tischen zu durchschlagen sollen unüberhörbar gewesen sein.

 

 

 

"Ein Gerichtsassessor übergibt die Backsteinburg in Köln, in der sich nur noch 120 Gefan­gene befinden, im März 1945 den einmarschierenden alliierten Truppen. Vorher waren belas­tende Akten verbrannt worden, Spuren des Unrechts sollten beseitigt werden. Die Herren vom Vollzug waren alle geflohen." (SCHMIDT)

Wie schon der Internationale Suchdienst 2010 mitteilte, war Gabriel Weber im Gefangenenbuch des Klingelpütz unter der Nr. 302 aufgeführt mit den üblichen vollständigen Hinweisen auf Hinrichtung, Betreuung, Besuchen etc. Das Gefangenenbuch wird im Hauptstaatsarchiv in Düsseldorf aufbewahrt. Beschämend, dass der Leiter der Justizvollzugsanstalt Köln (Ossendorf) auf eine Eingabe von Leo Weber 1995, die entsprechenden Unterlagen über die Inhaftierung seines Vaters einsehen zu wollen, 1996 nur lapidar mitteilt, in Ossendorf (Nachfolgegefängnis für den abgerissenen Klingelpütz) seien "keine Vollstreckungsunterlagen archiviert" und nicht einmal einen kleinen Hinweis darauf gibt, wo die Akten archivarisch aufbewahrt werden. Immerhin gibt er regelmäßig seine eigenen "alten" Akten genau dahin zur Aufbewahrung ab. Wenig genug ist im Gefangenenbuch festgehalten: Gabriel Weber, Stadtobersekretär, geboren am 12.8.1893 in Weißenthurm bei Koblenz, wurde am 09.06.1942 um 10.00 in den Klingelpütz eingeliefert. Ausgetragen wurde er für den 21.08 1942 mit dem Hinweis "hingerichtet". Das Aktenzeichen des Amtsgerichts Brühl 3Gs 14/42 und das Aktenzeichen der Staatsanwaltschaft Köln 27Js 253/42 sind vermerkt.

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Eintragung Gabriel Weber Gefangenenbuch Klingelpütz
Archivmaterial dank Recherche Hauptstaatsarchiv Duisburg
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